Leichte Zuwächse bei den Insolvenzen in Westeuropa – markante Steigerung in Osteuropa
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist in Westeuropa im Jahr 2012 gegenüber 2011 um 2,6 Prozent gestiegen. Waren es 2011 rund 173.000 Insolvenzanträge, die von den örtlichen Gerichten in den Ländern angenommen worden waren, sind 2012 rund 178.000 Insolvenzen zu zählen. In diese Rechnung wurden auch die Nicht-Mitgliedsländer Norwegen und die Schweiz aufgenommen. Sie deckt somit den gesamten geografischen Raum Westeuropas ab.
Die massivsten Zugänge bei der Zahl der Insolvenzen binnen Jahresfrist zeigen die Krisenstaaten mit 13,5 Prozent in Italien über 32,0 Prozent in Spanien bis zu 41,6 Prozent in Portugal. Auf der anderen Seite steht Irland mit einem nur moderaten Zuwachs von 2,8 Pro-zent bei den Insolvenzzahlen 2012 gegenüber 2011. Eine Überraschung im Hinblick auf das Unternehmensinsolvenzgeschehen meldet Griechenland: Hier ist die Zahl der insolventen Betriebe von 445 (2011) auf 415 (2012) sogar um 6,7 Prozent rückläufig. Hier gilt allerdings – wie für Spanien –, dass das Insolvenzgeschehen nur einen Bruchteil der Liquidationen wiedergibt.
Infektion bei Kernländern?
Auffällig unter den Ländern, die binnen Jahresfrist einen zweistelligen Zuwachs der Unternehmensinsolvenzen zu registrieren hatten, ist die Entwicklung in den Niederlanden. Um 19,4 Prozent haben die Insolvenzen von 6.176 in 2011 auf 7.373 in 2012 zugelegt. Auch Schweden zeigt bei 7.737 Fällen eine Rate von plus 7,0 Prozent.
Doch es gibt auch positive Entwicklungen: Nicht nur Deutschland mit rund fünf Prozent weniger Insolvenzen 2012 (2012: 28.720; 2011: 30.120), auch Frankreich (minus 2,4 Prozent) und Großbritannien (minus 3,9 Prozent) zeigen eine stärkere Stabilität der Unternehmen. Als Primus erweist sich das Nicht-EU-Land Norwegen mit minus 12,4 Prozent bei 3.814 Unternehmenszusammenbrüchen. Die Unternehmensinsolvenzen in Europa werden dominiert von den Zahlen aus Frankreich (mehr als 48.000 Insolvenzen), Deutschland (rund 29.000), Großbritannien (17.750) und Italien (12.300).
Beruhigung beim Bausektor
Mehr als zwei Drittel der westeuropäischen Unternehmensinsolvenzen gehören zum Handel und zum Dienstleistungsbereich. Während der Handel (inkl. Hotel- und Gaststättensektor) einen Anteil von 30,4 Prozent hält, sind es im Dienstleistungsbereich sogar 38,2 Prozent. Ein weiteres Fünftel des Insolvenzgeschehens wird vom Bau (20,8 Prozent), ein Zehntel (10,5 Prozent) vom Verarbeitenden Gewerbe getragen. Während der Anteil des Baugewerbes von 21,4 auf 20,8 Prozent binnen Jahresfrist leicht abnahm und sich auch der Handel von 31,2 auf 30,4 Prozent ein wenig stabilisierte, zeigt der Dienstleistungssektor einen Zugang gegenüber dem Vorjahr von 36,9 auf 38,2 Prozent.
Die Finanzierung entscheidet
Um 0,6 Prozentpunkte, von 27,4 auf 28,0 Prozent, hat die Zahl der Unternehmen insgesamt leicht zugenommen, die ein negatives EBIT, also keinerlei Erträge be-zogen auf den Umsatz, erreichen. Dürftige Ertragslagen registrieren auch die Klassen bis fünf Prozent (2011: 24,3 Prozent; 2010: 24,7 Prozent) und bis zehn Prozent (2011: 15,9 Prozent; 2010: 16,2 Prozent) auf. Einen geringfügigen Zuwachs gibt es auch bei der EBIT-Marge von mehr als 25 Prozent. 15,0 Prozent der europäischen Unternehmen erfreuen sich einer so kraftvollen Ertragssituation – im Vorjahr waren es 14,8 Prozent. Insgesamt zeigen die Zahlen zur EBIT-Marge nur eine geringe Veränderung.
Dürftiges Eigenkapital macht insolvenzanfällig
Im Durchschnitt aller ausgewerteten westeuropäischen Länder beträgt der Anteil unterkapitalisierter Unternehmen mit einer EK-Quote von unter zehn Prozent 24,7 Prozent. Dieser Anteil ist gegenüber 2010 gesunken; damals betrug er noch 25,9 Prozent. Staaten, die einen unterdurchschnittlichen Anteil an Unternehmen mit dürftiger Eigenkapitalversorgung verzeichnen, sind auch diejenigen, die eine positive Insolvenzentwicklung zeigen. Nur Finnland (20,1 Prozent mit einer EK-Quote von unter zehn Prozent), Belgien (22,5 Prozent) und die Niederlande (24,2 Prozent) weisen eine – allerdings nur geringe – Steigerung bei den Insolvenzzahlen auf (Ausnahme ist die Niederlande mit einer Steigerung von 19,4 Prozent bei den Unternehmensinsolvenzen).
Dagegen sind die sieben westeuropäischen Länder, die einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Betrieben mit dürftigem Eigenkapital haben, bis auf eine Ausnahme unter den Ländern mit zum Teil massiven Insolvenzsteigerungen zu finden. Nur Großbritannien (27,9 Prozent mit einer EK-Quote von unter zehn Prozent) hat einen leichten Rückgang der Insolvenzen von minus 3,9 Prozent. Die gefährdeten Peripherie-Länder von Portugal über Spanien, bis zu Irland und Italien bilanzieren auch eine entsprechend schwache Eigenkapitalversorgung.
Deutschland auch beim Zahlungsverhalten „Musterknabe“
Eine wichtige Rolle für die Liquidität der Unternehmen spielt das Zahlungsverhalten der Kunden und Abnehmer. Deutschland schneidet mit einem mittleren Wert von 26 Tagen am besten ab. Auf den nächsten sieben Plätzen mit Laufzeiten von bis zu 38 Tagen folgen nordeuropäische Länder, die mit Ausnahme von Finnland und Österreich nicht zur Euro-Währungsunion gehören. Während Irland mit 49 Tagen immer noch besser liegt als der mittlere Wert für Europa (54 Tage), finden sich niederländische Unternehmen mit 72 Tagen eingereiht unter die Krisenländer. Mit fast fünf Monaten Zahlungsdauer (142 Tage) brauchen griechische Unternehmen am längsten zur Begleichung ihrer Rechnungen.
Rasante Zuwächse in manchen Ländern Osteuropas
Der Osten Europas verzeichnet eine deutliche Steigerung bei den Unternehmensinsolvenzen von 13,6 Prozent. Die höchste Zahl von Unternehmenszusammen-brüchen in Osteuropa nennt Ungarn mit 36.274 Fällen (plus 17,9 Prozent). An zweiter Stelle folgt mit einer Abnahme von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr Rumänien mit 21.974 insolventen Unternehmen. Tschechien registriert 7.723 Insolvenzen (plus 31,3 Prozent) und das neue EU-Beitrittsland Kroatien wartet mit 7.000 Unternehmensinsolvenzen in 2012 auf (plus 43,5 Prozent). Geringe Insolvenzzahlen bei hohem wirtschaftlichem Gewicht kommen aus Polen (881 Unternehmensinsolvenzen; plus 15,6 Prozent).
Auch in Mittel- und Osteuropa sind es vor allem der Handel und das Gastgewerbe, die fast 50 Prozent aller Insolvenzfälle auf sich vereinen (47,7 Prozent). Dagegen liegt der Dienstleistungssektor, der nur jede fünfte Insolvenz in Osteuropa stellt (19,8 Prozent), gegenüber dem „Standard“ Westeuropas deutlich zurück. Bau und Verarbeitendes Gewerbe teilen sich das restliche Drittel des gesamten Insolvenzaufkommens in den mittel- und osteuropäischen Ländern.
Amerika arbeitet sich aus der Krise
Dagegen hat sich die Situation in den USA deutlich verbessert. Im Zuge der Finanzkrise war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2007 von 28.300 auf 43.500 im Jahr 2008 sprunghaft angestiegen. Auch 2009 kam es noch einmal zu einer weiteren Zunahme der „Business Filings“ auf 60.800 Fälle. Dann bewegten sich die Zahlen von Jahr zu Jahr nach unten: Schließlich sind 2012 nur noch gut 40.000 Unternehmensinsolvenzen in den Vereinigten Staaten zu registrieren.