Energiekrise erhöht Ausfallrisiken
Kreditgeber und Lieferanten verzeichneten eine spürbare Verschlechterung des Zahlungsverhaltens in Deutschland. Im 2. Halbjahr 2022 stieg der Zahlungsverzug im B2B-Geschäft auf durchschnittlich 10,95 Tage (2. Halbjahr 2021: 9,97 Tage). Das ist der höchste Wert seit sieben Jahren. „Die Zunahme der Zahlungsverzögerungen trifft gerade auf eine Phase des Konjunkturabschwungs. Das lässt bei Kreditgebern und Gläubigern die Alarmglocken schrillen“, kommentiert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung, die aktuellen Daten. „Das Risiko für Forderungsausfälle ist so hoch wie seit Jahren nicht mehr.“ Für die Studie hat die Creditreform Wirtschaftsforschung rund vier Millionen Rechnungsbelege aus dem Creditreform Debitorenregister Deutschland (DRD) ausgewertet.
Zahlungsziele schon während der Corona-Zeit gekürzt
Die mittlere Forderungslaufzeit bzw. Außenstandsdauer lag im 2. Halbjahr 2022 branchenübergreifend bei durchschnittlich 40,92 Tagen und damit 0,61 Tage höher als in der Vorperiode (Januar bis Juni 2022). Diese Kennzahl bildet die Dauer zwischen dem Zeitpunkt der Leistungserbringung und dem Zahlungseingang ab. Dennoch war die Forderungslaufzeit, die sich aus dem vereinbarten Zahlungsziel zuzüglich des Zahlungsverzugs zusammensetzt, weiterhin niedriger als vor der Corona-Krise. Viele Kreditgeber hatten ihre Zahlungsziele im Zuge der Krise gekürzt, um Ausfallrisiken zu minimieren. Im Durchschnitt wurde den Kunden im 2. Halbjahr 2022 ein Zahlungsziel von 29,97 Tagen gewährt. Zum Vergleich: Zu Beginn der Corona-Pandemie waren deutlich längere Zahlungsziele von rund 32 Tagen üblich.
„Lieferanten und Kreditgeber profitieren derzeit von ihrem risikominimierten Forderungsmanagement aus der Corona-Zeit“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch. Allerdings belasten nun massive Preissteigerungen bei Energie und weiteren Vorprodukten Kreditgeber wie Kreditnehmer. Durch die Verschlechterung der Rahmenbedingungen seien die Kreditgeber gezwungen, die Kreditkonditionen erneut anzupassen. Dennoch dürften die Zahlungsausfälle steigen.
Der durchschnittliche Wert einer verspätet bezahlten Rechnung erhöhte sich im 2. Halbjahr 2022 auf 2.158 Euro (1. Halbjahr 2022: 2.107 Euro). Während der Corona-Krise war es zu einem Rückgang der Transaktionsvolumen gekommen. Seit einiger Zeit nehmen die Rechnungswerte aber wieder zu, denn auch Inflation und Preissteigerungen dürften die Werte weiter steigen lassen. „Unternehmen sterben meist nicht in der akuten Krisenphase, sondern wenn die Geschäfte wieder anlaufen und dann das Geld fehlt“, so Hantzsch weiter.
Kleinunternehmen im Fokus
Kleine Unternehmen (höchstens 50 Mitarbeiter) verursachten im 2. Halbjahr 2022 mehr als ein Viertel aller überfälligen Forderungen (27,8 Prozent). Gegenüber der Vorperiode (1. Halbjahr 2022) ist dieser Anteil um 1,7 Prozentpunkte gestiegen. Großunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten waren aber weiterhin für das Gros der Außerstände bei Lieferanten und Kreditgebern verantwortlich. Zuletzt sank der Anteil der Großkunden aber auf 58,8 Prozent. „Kleine Unternehmen zahlen ihre Rechnungen oft verspätet, zudem nimmt die Rechnungshöhe zu. Daher ist die Fokussierung allein auf Großkunden trügerisch“, betont DRD-Leiterin Janine Stappen. Dabei dürfte die Energiekrise kleine und mittlere Unternehmen eher stärker belasten und deren Ausfallrisiko erhöhen. Der Zahlungsverzug von kleinen Firmen stieg im 2. Halbjahr 2022 auf 12,53 Tage. Große Unternehmen zahlten ihre Rechnungen im Durchschnitt mit einer Verspätung von 9,91 Tagen.
Datenbasis Creditreform Zahlungsindikator Deutschland:
- Zu rund 1,06 Mio. Unternehmen liegen Zahlungsinformationen im Debitorenregister Deutschland (DRD) vor.
- Die Zahlen zum Zahlungsindikator beruhen auf überfälligen, aber ausgeglichenen Belegen.
- Ein Belegvolumen von rd. 87,6Mrd. Euro zu 1.160 Branchen wird in Deutschland analysiert.
- Monatlich werden aktuell 22 Millionen Zahlungsinformationen ausgewertet.
Der nächste „Zahlungsindikator Deutschland“ erscheint im August 2023.